Hollywood vergöttert ihn: Ist der “Vitamix” wirklich so toll?
Es gibt etwas, das in den USA gerade mehr verehrt wird als in Indien Kühe. Dieses Etwas ist ein Gerät, genauer ein “High Performance Blender”. Ein Hochleistungsmixer, der rohes Gemüse und Obst in supergesunde, faserfreie Säfte verwandelt. Fitnessgurus und Gesundheitsfreaks können seine Drehzahl und Eigenschaften im Schlaf herunterbeten. Der “Vitamix” spaltet ohne Hitzeschädigung die Zellwände von Lebensmitteln auf – wodurch Antioxidantien, Vitamine und Mineralstoffe freigesetzt werden! Vom Vitamix profitiert das Verdauungssystem, der Körper, die Haut! Ihr könnt es euch denken: In den Augen von Vitamix-Fanatikern ist ein Käsebrot mit Essiggurke schlimmer als Crystal Meth.
Ich liebe Käsebrote. Aber ich habe von Berufs wegen ungefähr jeden Text über den Vitamix gelesen – und bin dem Hype hoffnungslos verfallen. Drei Monate lang habe ich gespart. Und als ich mit dem Paket in der Hand aus dem Kustermann in München rauslief, fühlte ich mich schon wie ein besserer Mensch. Das Teil ist der Wahnsinn! Der Vitamix TNC 5200, ich wusste es, wird die beste Anschaffung meines Lebens sein.
Das war vor einem Jahr. Heute würde ich diesen Satz wieder zurücknehmen. Das Hauptproblem ist noch nicht mal die Lautstärke (30 000 Umdrehungen, Leute!), mit der man morgens eine ganze Wohnsiedlung wecken kann. Auch nicht das Plastikgehäuse, das binnen kurzer Zeit ziemlich heruntergerockt aussieht. Auch nicht die schwer sauber zu machenden Schneideklingen. Und auch nicht der Aggregatzustand der Säfte. Sie sind immer dickflüssig, egal, wieviel Eis oder Wasser man beifügt. Das Hauptproblem ist, dass man eine LKW-Ladung pro Woche an exquisiten Zutaten braucht, die es nicht mal in einer Großstadt wie München an jeder Ecke gibt. Ich sag nur: Bio-Grünkohl.
Anfangs war ich voll dabei. Samstags kaufte ich einen Kopf Grünkohl auf dem Viktualienmarkt (das hippe Wintergemüse gibt es nicht mal in der Luxus-Lebensmittelabteilung von Galeria Kaufhof), Kokosnussöl und Superfoodpulver (das eine im Naturkostladen, das andere über Amazon). Und stiefelte danach nochmal los, um alles andere zu kaufen, was man für die grünen Säfte einer Woche sonst noch so braucht: Ananas, Äpfel, Bananen, Spinat… Nach etwa einem Monat hatte ich keine Lust mehr, den Samstag mit Lebensmittel-Einkäufen zu verbringen.
Das war der Anfang vom Ende. Ich mixte keinen Bio-Spinat mehr, sondern Pink Lady-Industrie-Äpfel aus dem Rewe mit Tüten-Salat vom Lidl. Und hatte ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Denn Vitamix-Propheten sagen ja: Wer Nicht-Bio-Produkte mixt, kann gleich Plastiktüten pürieren und trinken. Nachts träumte ich, davon, der Gemüsehändler würde eine Pipeline zu mir nach Hause legen.
Zurzeit ist mein Vitamix sehr unterbeschäftigt. Manchmal mache ich mir damit eine Suppe aus Bio-Dosen-Cherrytomaten. Aber ich bleibe dran. Auch, wenn der Vitamix ein kleiner, wie der Name schon sagt, Blender ist.